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Winterschlaf

20.03.2016

Es beginnt ganz allmaehlich und unbewusst. Unruhe legt sich ueber die Traeume. Die Luft verliert ihre fast schon antiseptische trockene klare Kaelte, die Lungen werden erfuellt mit dem Geruch frisch aufkeimenden Lebens. Das Blut beginnt zu pulsieren, der Kreislauf erwacht und der Koerper beginnt sich zu erwaermen. Das Fell juckt und eine Pfote kribbelt. In den Traum schleicht sich Hungergefuehl ein, und beginnt ihn zu ueberblenden. Wie aus einem tiefen Tunnel tauchen die ersten Sinneseindruecke auf, willkuerlich, unzusammenhaengend und nicht bewusst wahrgenommen. Hunger. Da juckt was. Und kribbelt. Nach und nach kommt das Bewusstsein zu seinem Recht und die ersten Gedankenfetzen materialisieren sich. "Mein Fell juckt. Die Pfote kribbelt. ich hab Hunger. Die Luft riecht so gut. Ich bin ein Baer. Ich schlafe. Ich will noch nicht aufwachen. Ich muss mal."

Ich bin zwar kein Baer aber das Lebenskonzept des Winterschlafs hat mir schon immer gut gefallen. Einfach Augen zu und erst wieder aufstehen wenn es sich lohnt wach zu sein, ich wuenschte ich koennte das auch.
Wie ich jetzt darauf komme?
Lange Strecken allein segeln, im bestaendigen Passatwind - das ist ein bisschen wie Winterschlaf. Der Kreislauf ist runtergefahren, hektische Aktivitaeten finden nicht statt und manchmal habe ich sogar das Gefuehl die Gedanken fliessen wie Honig.
Ist das Land eine Weile hinter dem Horizont verschwunden beginnt es unwirklich zu werden, eine Erinnerung. Die einzig existierende Welt ist ein kleines Boot in der nicht endenden Wasserwueste. Dann kommt irgendwann der Augenblick wo hinter dem Horizont kein neuer Horizont liegt, sondern Land. Wenn es am Horizont auftaucht kann man es einfach nicht mehr ignorieren. Der Kreislauf faehrt wieder hoch, die Unruhe nimmt zu und mit ihr die Vorfreude auf das Neue.
Dieser Augenblick ist jetzt. Nach 36 Tagen auf See seit ich St. Helena verlassen habe und 62 Tagen seit Kapstadt taucht endlich eine neue Welt vor Phalerons Bug auf.
Heute Nacht liege ich vor Ile Fourche vor Anker, denn bei Nacht wollte ich dann doch nicht in den Oyster Pond. Morgen frueh werde ich also erst mal ganz entspannt etwas gegen das juckende Fell unternehmen (ein Bad in der Bucht schwebt mir vor) und dann kommen die letzten 8 Seemeilen.